Meine Freundin bekommt glänzende Augen, wenn sie von dem spricht, der ihr sehr wichtig ist. Ja, sie habe einen neuen, flüstert sie mir schon im Hausflur zu, und der sei wirklich für alles zu gebrauchen. Nein, nicht nur für Alltägliches, ach was, dieser sei für beinahe alle Fälle zur Stelle. Sie schiebt mich wie aufgedreht ins Wohnzimmer und schließt, gegen ihre Gewohnheit, die Zimmertür hinter sich. Während sie mir Kaffee einschenkt, setzt sie ihren begeisterten Redefluss fort. Sie setzt sich, lächelt versonnen und streicht mit einer Fingerkuppe über den Rand ihrer Kaffeetasse. Ich werde neugierig, beuge mich vor und frage sie leise, ob sie ein Foto von ihm habe. Sie aber schaut mich an, als habe ich etwas Unverschämtes gesagt. Sie tippt sich an ihre Stirn, geht aber nicht auf meine Frage ein.
„Damit brauche ich weder Judo noch Karate, denn er ist zum Beispiel auch zu meinem Schutz da, jederzeit einsatzbereit. Und er ist absolut zuverlässig, da gibt’s keine Zweifel. Durch ihn komme ich auch zu ungewöhnlichen Blumensträußen. “ Sie kichert und weist belustigt auf den Kaminofen, auf dem eine Vase mit einem Strauß nackter Tulpenstängel steht. Er sieht eher aus wie ein modernes Kunstwerk als ein liebliches Angebinde. Das schwärmerische Lächeln meiner Freundin weckt in meiner Phantasie Bilder von männlichen Typen wie Götz George oder Bud Spencer, vielleicht ja auch Robert Redford, der ja eher fürs Sinnliche steht. Immerhin scheint er sie ganz schön aus dem Häuschen gebracht zu haben.
„Stell dir vor“, fährt sie locker fort, und ihre Hände fahren durch ihre dunklen, halblangen Haare, „gestern hat er mich aus einer brenzligen Situation gerettet, als ein Vertreter zudringlich wurde.“
Ich rutsche auf die Kante des Sessels und blicke sie erwartungsvoll an. Also doch eher Schlägertyp. Nun gut, wenn er ihr hilft. In diesen tagsüber vorwiegend verwaisten Wohnsiedlungen sind viele Frauen allein. Plötzlich tut mir ihr Mann leid. Er weiß sicher nichts von dieser Geschichte. Warum sonst hat sie es mir wie ein Geheimnis zugesteckt? Meine Freundin reißt mich mit munterer Stimme aus meinen Überlegungen. –
Sie klopft auf die Polster ihres Sofas.
„Siehst du etwas? – Nein, nicht wahr. Alles proper. Hier im Wohnzimmer ist ja alles bestens, ich bin sehr zufrieden, da klappt alles. Aber im Badezimmer dagegen … Da kann schon mal was schiefgehen.“
Sie verschluckt sich an ihrem Kaffee. Ich wollte ja sowieso aufstehen, mir wird die Geschichte peinlich. Doch Erste Hilfe ist wichtiger, und ich klopfe ihr auf den Rücken. Sie hustet heftig und erzählt weiter, trotz ihrer Atemnot:
„Genau so war es nämlich heute in der Dusche. Da hat er so geröchelt und gespuckt. Habe ich eine Not gehabt! Ich dachte, das sei sein Ende! Übrigens brummt auch nicht so wie der alte.“‚
Vielleicht noch nicht‘, denke ich, schaue verstohlen nach einem Fluchtweg, aber setze mich ebenfalls wieder. Meine Neugier ist doch größer, als ich mir eingestehen möchte. Nun, aber ich könnte wenigstens eben zur Toilette gehen. Vielleicht beruhigt sich ja meine Freundin bis dahin.
„Ich sollte doch vorsichtiger sein,“ meint sie ein wenig nachdenklich, „ich habe Glück gehabt, dass dabei die Sicherung rausgeflogen ist.“
‚Wessen Sicherung wohl?‘, denke ich. Die Frage steht mir offensichtlich ins Gesicht gedruckt, und sie bemerkt mein Misstrauen. Als müsse sie sich rechtfertigen, meint sie:
„Er sah so verführerisch aus, und nach einigem Hin und Her habe ich ihn eingeladen und mitgenommen.“
Ich stehe auf und stolpere über ihre Füße. Ich werde verlegen, außerdem treibt der Kaffee. Als ich die Toilettentür öffne, kippt mir ein roter Staubsauger vor die Füße. Wenn es hier nur nicht so eng wäre! Wie verhalte ich mich nun? Ich würde am liebsten heimlich verschwinden, aber es ist sicher besser, wenn ich mich doch kurz verabschiede. Hoffentlich enttäuscht sie dieser Typ nicht. Ich schlüpfe in meine Jacke, schaue noch kurz ins Wohnzimmer und murmele eine Ausrede.
„Hast du ihn gesehen? Wie findest du ihn?“ Ungeduldig weist sie ins Treppenhaus. Ich wende mich um und schaue hinauf, ob er da etwa steht und schon auf sie wartet.
„Du kannst ihn doch nicht übersehen haben! Mein Neuer muss dir doch eben förmlich im Weg gewesen sein.“ Sie zieht die Tür zur Toilette auf.
„Sag schon, sieht er nicht beeindruckend aus, mein neuer Staubsauger ?“