Drei, Zwei, Eins, Meins

Es hat mich erwischt. Nie hätte ich gedacht, dass ich dieser seltsamen Zählweise so verfallen könnte: Drei Zwei Eins Meins . Es sind neuzeitliche Stoßgebete und ausgelegte Köder.  Ich muss mich regelrecht zwingen, die Hausarbeit schnell zu Ende zu bringen, denn mein Internet-Fieber steigt.

Ich ziehe den Staubsauger barsch hinter mir her, nehme es mit den Zimmerecken nicht so genau, und aus dem laufenden Fernseher höre ich wieder diese Reklame:  „Drei Zwei Eins – Meins.“ Das ist Musik in meinen Ohren. Mein dröhnender Staubsauger verschluckt sich , er pustet den Staub wieder aus, und es ist schließlich staubiger als vorher. Überhaupt, – das Modell ist eigentlich uralt und wenig komfortabel. Während ich ihm einen kurzen Fußtritt versetzte, damit er wieder saugt, statt nur ein Geräusch zu machen, erhellt sich meine Miene . Ich blicke erneut auf die Fernsehwerbung und weiß nun, was ich zu tun habe.

Drei – Zwei – Eins – Meins?

Ja,  mich hat dieser Virus erwischt.  Im Internet finden die Auktionen des kleinen Mannes statt, und der Altar, auf dem ich meine Zeit und mein Geld als Opfer darbringe, ist mein Schreibtisch.
Es geht mir nicht schnell genug, bis der Computer hochfährt. Wer weiß, was in diesen Minuten schon alles passiert! Wer weiß, was ich gerade jetzt verpasse! Da – endlich erreiche ich diesen Kaufpalast, der Kampfarena oder Schlachtfeld ist.  Und der Schlachtruf heißt:

Drei – Zwei – Eins. Meins.
Aah, endlich: Das Ebay-Tor geht auf. Nun geht es darum, wie ich auf Zack bin, ob ich lange genug auf der Lauer liege und natürlich das nötige Geld habe. Meine Augen saugen sich fest an der Uhr, an der noch bleibenden Zeit, um erhaschen zu können, was man dringend haben Muss – oder es auch einfach nur jemandem nicht gönnt. Aber was könnte ich heute ersteigern? Bücher? Ja, Bücher kann ich nie genug haben. Oder Schmuck? Haushaltsgegenstände? Zu langweilig. Oder? – Wie war das eben noch beim Staubsaugen? – Ja,  das ist es!  Ich gehe auf die Pirsch mit Pfeil und Bogen, – na, so ähnlich wenigstens. Immerhin sind meine Nerven wie die Saiten eines Bogens gespannt. Hier klicken, dort lesen, Brille auf, Brille ab. Alle Bleistifte sind oben abgeknabbert, meine Fingernägel sowieso, doch immerhin ist die Schreibtischkante noch unversehrt…
Briefträger wie auch die Paketwagenfahrer sind mir in letzter Zeit sehr vertraut geworden. Auf sie warte ich täglich. Unverfängliche Kontakte, – wirklich! Der Postmann braucht nicht erst zweimal zu klingeln. Na ja, wenn’s heftig regnet oder schneit, biete ich dem Paketmann eine Tasse Kaffee an. Aber mehr nicht! Ich will ja nicht in Verruf kommen. Ich schiele ohnehin nur nach dem Paket, außerdem  habe ich keine Zeit zu verschenken. Ebay ruft!

Ich muss zum Rechner! Die letzten Sekunden bei Ebay sind wie Kanonendonnern, diese Momente sind nervtötend. Mein Adrenalinspiegel macht Aerobic. Ich gönne den anderen nichts mehr. Nichts da, meine Lieben in der Welt da draußen! Ha, hierbei bin ich egoistisch. Ich kenne jetzt keine Verwandten mehr. Ja, vorsichtshalber noch eben ein Gebot auf das Silberarmband. Hm, brauche ich das? Egal, ich biete. Es ist billig.

Ich krieche sozusagen in den Monitor und merke nicht, wie ich den Atem anhalte. Vor meinen Augen flimmert es, es knallt, dann sehe ich nichts mehr. Verflixt, mein Computer ist abgestürzt! Ausgerechnet jetzt! Wie, zum Teufel, soll ich jetzt noch mitbieten? Man schnappt mir das Gebot weg! Endlich, endlich, es geht wieder! Ebay ist wieder auf dem Bildschirm. Doch zu spät, das Angebot ist beendet, und der Staubsauger, der fast schon mir gehört hatte, hat sich aus dem Staube gemacht.

Eins – Zwei-drei – Mist!  Mein Posteingang meldet sich. Leider kein Erfolg beim Staubsaugerkauf. Aber es hat geklappt beim Silberarmband… Es ist übrigens total hässlich.  Ich muss  einen neuen Computer ersteigern. Einen Rechner, der nicht dauernd abstürzt, und dann werde ich bei Ebay den uralten Staubsauger und den alten Computer anbieten. Vielleicht reißen sich ja andere Ebay-Jünger darum, vielleicht wenigstens einer.

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