In Reih‘ und Glied

Eine lange Reihe weißer Knöpfe hockte eng festgezurrt neben einer vornehmen Knopflochleiste. Einige ruckelten sich ärgerlich hin und her, ihnen war es zu eng hier. Sie waren es gewohnt, entweder locker in einem Kasten zu liegen oder auf einer kleinen Pappkarte in einem Geschäft an der Wand zu hängen, jeder in einem angenehmen Abstand zum anderen. Dort konnten sie noch an den anderen vorbeispähen oder direkt in den Raum hineinblicken, doch hier waren alle so gleichmäßig befestigt, dass es unmöglich war, den Blick auch nur zur Seite richten zu können. Andere Knöpfe dagegen freuten sich, so viele Freunde und Bekannte zu treffen, doch auch sie vermochten sich kaum anzusehen, lediglich ihre knarzenden Stimmen auf diesem edlen Stoff gaben ein leises Echo wider. Die restlichen Knöpfe dagegen hockten einsilbig und ergeben da, eingepfercht zwischen den anderen; sie hatten keine Kraft, sich nach rechts und links zu bewegen. Aber jeder der vielen Knöpfe hockte auf einem kleinen silbernen Stühlchen, an dessen unterer Seite ein Ring angebracht war, und durch diesen Ring waren sie an einem weißen, leicht raschelnden Stoff befestigt.

Plötzlich griffen menschliche Finger nach ihnen, gleichzeitig wurde das gegenüberliegende Stück Stoff beiseite gezerrt, und die Knöpfe merkten, wie sich ein Mensch dicht an ihnen vorbeizwängte. Nach und nach wurde einer nach dem anderen durch einen kleinen weißen Torbogen gezwängt und noch enger zum jeweiligen Nachbarn gedrückt. Gleichzeitig wurden sie an einen Menschenrücken gepresst, aber dabei wurde es ihnen allen wenigstens schön warm.  Kurz darauf streichelte sie ein sanfter, hauchdünner Stoff, und schwarze Haare wehten mit weißem Tüll ständig über sie hinweg. Von da an ritten alle Knöpfe in sanften Bewegungen auf einem weiblichen Rücken durch den Tag, und immer, wenn dieser Mensch einen anderen Menschen begrüßte, wurden sie geschüttelt, geklopft oder gerieben, manchmal auch gedrückt. So ging es viele Stunden, und nachdem eine langwieriges Essen vorbei war, fühlten sich alle noch mehr zusammengedrängt. Musik erklang, und plötzlich hatten alle Knöpfe das Gefühl, Karussell zu fahren. Durch die ständigen Drehungen wurden alle weißen Knöpfe kräftig durchgeschüttelt.

Endlich wurde es still, es war so, als seien nur noch zwei Menschen in einem Raum. Doch anstatt endlich zur Ruhe kommen zu können, wurde ein Knopf nach dem anderen aus dem kleinen Torbogen wieder herausgeholt. Manche Knöpfe atmeten auf und stießen sich erfreut gegenseitig an, andere hingegen begannen zu frieren, während einige sogar abplatzten und dann auf einem weichen Bett landeten. Doch die Knöpfe auf der Matratze hatten sich zu früh gefreut, sie wurden statt der geglaubten Freiheit festgehalten und sogar nach unten gepresst, und zwei kichernde Menschen wälzten sich mehrfach über sie, und die Knöpfe wurden erneut geschaukelt und durchgerüttelt.

Wenn die weißen Knöpfe hätten lesen können, hätten sie spätestens jetzt begriffen, was eigentlich der Grund dieser seltsamen Vorstellung gewesen war, doch sie konnten nicht entziffern, was auf dem roten Herzluftballon über ihnen geschrieben stand:

„Dem Brautpaar viel Vergnügen in dieser Hochzeitsnacht!“

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.