Paradiesische Zustände

Als Eva einmal keine Lust hatte, das Paradies aufzuräumen sowie Nuss,- Bananen- wie auch Orangenschalen in die grüne Tonne zu sortieren, dachte sie daran, Adam einfach mal zu überraschen und ihn vom ständigen Faulenzen abzulenken. So färbte sie sich die Lippen mit Roter Bete dunkelrot und beugte sich über den kleinen Teich mit den Seerosen, um sich im Wasserspiegel zu betrachten.  Sie steckte sich noch eine Blüte ins Haar und nickte sich zufrieden zu.

Adam kroch pfeifend aus dem Dickicht hervor und richtete sich auf. Verwundert betrachtete er seine Frau. Eva amüsierte sich, wie er sich unbewusst die Lippen leckte. Er nahm sie in die Arme, machte ihr Komplimente und zeigte auf die Wiese. Sie ließen sich in dem weichen Gras nieder und liebten sich im Schatten eines Feigenbaumes. Anschließend hatte Adam das Bedürfnis nach einem Dessert. Es gab reichlich Früchte im Paradies, doch dieses Mal sollte es etwas Besonderes sein. Er ahnte jedoch nicht, dass ihnen genau das zum Verhängnis werden sollte.

„Ein Äpfelchen wird ja nicht schaden“, dachte Adam leichtsinnig und blickte verlangend zu dem riesigen Apfelbaum empor. Es war jedoch von Gott höchstpersönlich verboten, diese Früchte zu pflücken und verzehren.

Dennoch schlug Adam alle Bedenken in den Wind, streichelte Eva kurz über die Wange und meinte: „Ich komme sofort wieder. Ich bringe dir etwas Schönes mit, mein Schatz“.

Der verbotene Baum war groß. Adam reckte sich und tänzelte dabei von einem Fuß auf den anderen, bis er einen prallrunden Apfel erwischte. Dabei brach der Ast des sonst so gesunden Baumes ab. Adam wandte sich wieder Eva zu und bot ihr die Frucht an, damit sie zuerst kosten könne. Beide ließen es sich gut schmecken. Unmittelbar danach zogen Gewitterwolken am Himmel auf. Adam zuckte zusammen, als die Schlange, die er auch am verbotenen Baum gesehen hatte, über seine Füße kroch. Er war so kitzelig.

„Der Apfel schmeckt mir zwar, allerdings doch nicht so traumhaft, wie ich es erwartet hatte“, meinte Eva enttäuscht. „Ach Adam, mir ist auf einmal so seltsam zumute. Das Licht scheint weniger zu werden, ich sehe nur noch graue Farben, außerdem wird mir kalt. Und dabei ist es erst Mittag. Ob der Apfel wohl giftig war?“

Ähnlich erging es Adam. Ehe er sich noch umsehen konnte, brachen aus den Wolken grelle, blendende Blitze heraus. Es donnerte, und ein nie gekannter Platzregen ergoss sich und überflutete die gepflegten Anlagen. Dunkelheit wie auch Kälte legten sich über das sonst so sonnige Paradies. Adam und Eva erschraken sehr, als sie barsch angesprochen wurden. Ein mächtiger Engel riss vor ihnen ein bis dahin verborgenes Tor auf. Kalte Luft strömte herein.  Die Blumenköpfe senkten sich und die Paradiesvögel flatterten nervös umher. Ein vorwitziges Mäuschen verließ den göttlichen Garten. Adam und Eva versuchten, sich in die noch warmen Sträucher zurückzudrücken, doch der Engel zeigte unmissverständlich auf den Ausgang. Die Aufenthaltsgenehmigung war abgelaufen.

Adam wie auch Eva zierten sich plötzlich, es war ihnen peinlich, weil sie keine Reisekleidung besaßen. Beide blickten sich beschämt und mit rotem Kopf an.  Adam sah sich um und sammelte rasch einige Feigenblätter. Mit Chinagras stach Eva die Blätter zusammen und reichte ihm den hastig genähten Lendenschurz. Der Engel wedelte schon ungeduldig mit einem seiner großen Flügel. Schließlich schenkte er den beiden noch zwei Felle als Reiseplaids sowie vier Wanderstäbe. Dann schob er die beiden Menschen aus dem Traumland. Zur Bekräftigung der Ausweisung hielt er sein flammendes Schwert hoch und schweißte damit hinter ihnen die Tür zum Paradies zu.

Kaum waren die beiden außerhalb des Paradiesgartens, merkten sie, dass der Partner doch nicht so attraktiv war, wie sie bisher empfunden hatten. Die irdische Sonne ließ unbarmherzig die Falten und die Pickel des anderen hervortreten,  auch die Segelohren Adams waren Eva nie so deutlich geworden. Adam hingegen missfiel die Orangenhaut Evas. Ebenso ärgerte er sich, weil nun Eva sich ständig neue, sehr grell farbige Blätter zum Anziehen pflückte. Aber da sie beide glaubten, allein auf der Welt zu sein, hatten ohnehin beide keine Möglichkeit, fremdgehen. Briefträger, die zweimal klingelten, gab es jedenfalls noch nicht.

Wegen der nicht mehr so tropischen Hitze waren sie bald gezwungen, sich gut isolierte und ökologisch abbaubare Hütten  zu bauen. Ein Zierrasen sollte an die guten alten Zeiten erinnern. Allerdings wollten sie auf einen großen Gemüsegarten nicht verzichten, der glücklicherweise wegen des milden Klimas auch ohne Spritzmittel eine gute Ernte erbrachte.

Sie wünschten sich zwei Kinder, eine Tochter und einen Sohn, doch sie bekamen zwei Söhne, Kain und Abel.  Während Abel eigentlich zu brav für die Welt war, war Kain recht eifersüchtig und vor allem sehr cholerisch.  Er suchte ständig neue Anlässe, um zanken zu können.

Adam hatte zwar, wie es ein richtiger Mann tut, ein Haus gebaut, Söhne gezeugt, allerdings hatte er noch keinen Baum gepflanzt. Keine Sorte war ihm gut genug. Und so machte er sich auf, um in einem anderen Tal einen besonders ausgefallenen Baum zu suchen. Um Apfelbäume jedoch machte er einen großen Bogen. Ausgerechnet aber unter einem Zierapfelbaum saß eine schöne junge Frau, die mit zweien der Früchte spielte. Sie warf Adam ein rotes Äpfelchen zu und winkte ihn zu sich.

Nachdem sich beide einige Zeit unter dem hübschen Bäumchen ausgeruht hatten, machte Adam sich wieder auf den Heimweg. Als Geschenk brachte er Eva einen Ableger des Zierapfelbaumes. Unter seinem Lendenschurz hatte er ein Visitenkarten-Laubblättchen befestigt, auf dem der Name „Lillith“ stand. Irgendwie hatte die Frau Ähnlichkeit mit Eva gehabt. Ihm war klar, dass er nicht das letzte Mal bei dieser Zierapfelbaumfrau gewesen war. Doch das sollte sein Geheimnis bleiben.

Manchmal war es eben besser, wenn die eigene Frau nicht über alles Bescheid wusste.

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