Kleines Glück

Drückende Sommerhitze lag über der kleinen Stadt, und wochenlang hatte es schon nicht mehr geregnet. Kruse ging mit seiner Einkaufstasche auf das graue Mehrfamilienhaus zu und wischte sich mit seinem Taschentuch über die Stirn. Er war nun 75 Jahre alt, und das heiße Wetter machte ihm zu schaffen. Während er den Schlüssel in das Haustürschloss steckte, bemerkte er einen mageren Jungen, der in einen der fast vollen Glascontainer vorsichtig und nahezu geräuschlos einige Flaschen hineinschob. Dabei sah sich der Bub mehrmals zu beiden Seiten um, und als er erneut in die noch halbgefüllte Tüte greifen wollte, zerriss einer der Henkel, und der Rest der leeren Flaschen polterte heraus und zersplitterte. Schnaps- und Wermutflaschen rollten über den Betonsockel, und eine Weinbrandflasche blieb neben einer eckigen Magenbitterflasche liegen. Der Junge sprang zur Seite und wartete einen Moment neben dem Container, ehe er sich bückte und nach den größten der Scherben griff. Er fuhr herum, als er hinter sich das dumpfe Tacken eines Gehstockes und die Stimme eines Mannes hörte.
„Du willst doch wohl nicht die Glasscherben mit den bloßen Händen aufheben! Guck mal, du blutest ja schon.“

Kruse fingerte Tempotücher aus seiner Einkaufstasche und reichte sie dem Jungen, gleichzeitig wies er auf die bloßen Füße des Kindes, die in ausgetretenen Sandalen steckten. Mit seinem Stock schob er einige der Scherben beiseite, reichte dem Kind die Hand und leitete es zu sich herüber. „Ich wohne hier.“ Er wies mit einer Kopfbewegung auf das graue Haus. „Komm mit, du brauchst einen Verband oder ein Pflaster.“

„Irgendwie kommst du mir bekannt vor,“ sagte Kruse und strich das Pflaster fest. „Wohnst du hier?“ Das Kind murmelte etwas, und Kruse verstand nur den Namen des Bezirks an der anderen Seite des Städtchens. „Und mit den leeren Flaschen fährst du durch die ganze Stadt? Es gibt doch nicht nur hier einen Glascontainer.“ Der Junge bekam einen roten Kopf, er rutschte vom Stuhl und verließ wortlos die Wohnung.

An warmen oder trockenen Tagen saß Clemens Kruse oft auf einer der verwitterten Bänke des Stadtparks. Er beobachtete Tiere, die sich hier angesiedelt hatten oder er las Zeitungen. Vor allem jedoch hoffte er auf Kontakt mit Menschen, die hier regelmäßig vorbeikamen und ihm wenigstens einen Gruß zunickten. Oftmals entwickelten sich auch aus diesen Nick-Bekanntschaften kleine Gespräche. Zur Mittagszeit nahm Kruse aus seiner abgewetzten Ledertasche eine Brotdose aus Aluminium, in der einige belegte Schnitten lagen. Während er aß, hörte er das Grummeln der Holzbrücke und unmittelbar danach das raue Ratschen einer Fahrradkette. Kurz darauf fuhr ein schmächtiger Schüler an ihm vorbei. Kruse schaute ihm neugierig nach und wunderte sich, dass auch der Junge sich noch einmal nach ihm umsah, ehe er in den Heckenweg abbog. Das war doch der Junge mit den Glasscherben!

Als er am nächsten Tag wieder das Knarren der Fahrradkette hörte, ließ er rasch die Zeitung sinken und nickte dem Schüler lächelnd zu. Unverhofft sprang der Junge vom Rad und blieb am Rande des Weges stehen. Sein T-Shirt klebte an seinem Körper, und er wirkte noch dünner als vor einigen Tagen. Er zögerte und schaute von Kruse zum See und wieder zurück.

„Ich glaube, sogar den Fischen ist es zu warm. Es sieht so aus, als ob sie nach Luft schnappen müssten.“ Kruse nickte, und bemerkte, wie die Blicke des Kindes sich immer wieder an seiner Brotdose festmachten. „Sie sind jeden Tag hier, nicht wahr?“

„Ja, hier bin ich nicht so allein, hier kann ich mich mit anderen unterhalten, zum Beispiel mit dir jetzt. – Du bist doch der Bub vom Glascontainer, nicht wahr?“ Er deutete mit seiner flachen, offenen Hand auf die freie Fläche neben sich. Der Junge ließ sein Fahrrad ins Gras fallen und setzte sich auf das andere Ende der Bank. „Woher weißt du denn, dass ich häufiger hier bin?“ „Wenn ich von der Schule komme, fahre ich durch den Park. Da habe ich Sie dann halt schon oft gesehen.“

Kruse sah auf seine Uhr und deutete auf die Schultasche, die schräg auf dem Gepäckträger des Fahrrades hing. „Kommst du etwa jetzt von der Schule? – Jetzt erst?“ „Ich brauche nicht so früh heimkommen. Meine Mutter weiß ja, dass ich noch Freunde besuche. Wir gucken Fernsehen oder spielen am Computer.“

Clemens Kruse sah dem ernsten Jungen ins Gesicht. Das Licht fiel so, dass er sich in seinen Augen spiegeln konnte. Der Schüler hatte seine Hände unter die Oberschenkel geschoben, dabei knurrte plötzlich sein Magen. Ohne ihn anzusehen, brummte Kruse: „Hunger?“ „Ach , das ist nur so’n Geräusch, manchmal“, winkte der Junge ab, „Das hat nichts zu sagen.“ Kruse griff nach seiner Blechdose und schob sie ihm entgegen. „Magst du ein Brot essen? Ich habe immer welche bei mir, – für solche Fälle. Wenn mal der Magen knurrt. – Oder darfst du von einem Fremden nichts annehmen?“

Der Junge warf ihm einen schiefen Blick zu und schluckte, schielte aber wieder auf die Brotscheiben. „Nimm ruhig. – Ich heiße übrigens Clemens Kruse. – Also, magst du was essen? Greif zu.“ „Ich heiße Jakob. Jakob Sonntag.“ antwortete er rasch und griff nach einer Schnitte. Gierig Biss er hinein, und mit einem scheuen Blick zu Clemens Kruse nahm er danach auch die weitere und kaute sie langsam, beinahe andächtig. Kruse sah ihn aus den Augenwinkeln an. So, wie der Junge aß, wirkte es, als habe er den ganzen Tag noch nichts gegessen. „Sehen wir uns denn morgen wieder?“, fragte er, als Jakob aufstand, „Wenn das Wetter gut ist, werde ich wieder hier sein.“

Jakob zog sein Fahrrad aus dem Gras, und über sein ernstes Gesicht zog ein Lächeln.
„Oh gern, morgen kann ich schon eher da sein.“ „Dann kann ich ja für uns beiden Brote mitbringen.“ „Am liebsten mit dem salzigen weißen Zeugs drauf, wie Sie es heute hatten. Ich weiß nicht, was das war, aber das war so lecker.“ „Schmalz war das, Schweineschmalz, so was gab es im Krieg jeden Tag.“

Kurz darauf sah Kruse die Frau mit den hochgesteckten Haaren den Weg entlang radeln. Einmal wöchentlich fuhr sie in die Richtung des Ortes, um kurz darauf diesen Weg zurückzukommen, dann allerdings schob sie stets einen Rollstuhl, in dem eine sehr alte, in sich zusammengesunkene Frau saß.

„Darf ich mich kurz zu ihnen setzen?“ fragte die schiebende Frau und setzte sich schwer atmend auf die Bank. „Was ist das wieder schwül heute! Die Sonne meint es einfach zu gut.“ Dabei zog sie den Rollstuhl in den Schatten und tupfte der Alten den Schweiß von der Stirn. „Im Altenheim ist es zwar angenehm kühl, aber die Leute dort wollen doch auch mal raus. Und da komme ich mit der Frau Adelt manchmal an diesen kleinen See.“ Sie hielt den Kopf leicht schräg und wies neugierig auf das Vogelkundebuch. „Das ist mein Hobby,“ erklärte Kruse, „es ist so spannend, die hier lebenden Tiere zu beobachten. Natürlich interessiere ich mich nicht ausschließlich dafür. Aber man wird im Alter genügsamer.“

„Na na, ist’s denn schon so schlimm?“, Die Frau zwinkerte mit einem Auge, „Man kann ja nicht erwarten, dass jeder hier Vorbeikommende sich gleich auf ein längeres Gespräch einlässt, aber sind nicht auch freundliche Tagesgrüße kleine Sonnenstrahlen?“ Kruse sah sie über seine Brille an, dann zog ein breites Lächeln über sein Gesicht. „Sie könnten Recht haben.“ Er erhob sich andeutungsweise. „Darf ich mich vorstellen: Clemens Kruse ist mein Name…“ Die Frau streckte ihm ihre kleine Hand entgegen. „Und ich bin Mathilde Rebel.“

In der frühen Mittagszeit des nächsten Tages ging Clemens zwischen seiner Bank und der Holzbrücke auf und ab. Außer seiner Blechbüchse mit den Schmalzbroten hatte er heute noch eine kleine Plastiktüte mitgebracht. Durch die dünne Folie schimmerten zwei Äpfel. Kruse blickte erneut auf seine Uhr, und endlich hörte er das typische Fahrradgeräusch.

„Hallo,“ sagte Jakob nur und blies sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, „cool, Sie sind ja doch gekommen.“ „Ja, das hatte ich dir doch versprochen. Freut mich, dass du mich besuchst.“ Als könne er es nicht abwarten, holte Clemens aus der raschelnden Tüte die beiden Äpfel heraus und legte einen davon in die Hand des Jungen. Jakob lächelte, Biss herzhaft in den Apfel und wischte sich mit dem Unterarm den Saft von seinem Kinn.

Übermütig warf Jakob seine abgenagte Apfelkitsche hinter sich in einen Strauch, beugte sich wieder vor und sah Kruse ins Gesicht. „Werden Sie denn morgen auch da sein?“ Kruse wies auf den Himmel und brummte: „Warum nicht? – Sag mal, wissen eigentlich deine Eltern Bescheid, wo du immer bleibst? Ich mag nämlich keine Heimlichkeiten.“ Der Junge nickte, aber sein Lächeln geriet zu einer Maske. Er sah auf den See und nuschelte: „Wenn es geht, dann komme ich wieder. Morgen. Um die gleiche Zeit.“

Nahezu täglich trafen sich die beiden am See. Jakob nahm von Clemens die Brotscheiben und Äpfel entgegen und aß. „Ich möchte Sie etwas fragen,“ begann Jakob mit zittriger Stimme, „das heißt, ich möchte Sie einladen. Zu meinem Geburtstag. Nächste Woche. Mittwoch.“ Kruse lachte trocken und tippte sich mit seinem Finger vor die Brust. „Mich? Mich alten Knopp? Ausgerechnet mich?“ „Ja, also, ich meine, weil die anderen immer eine Party machen oder Ausflüge oder Kegeln und so.  Aber solch einen besonderen Gast wie Sie hätte niemand.“ Jakob krallte seine Hände um das vordere Brett der Bank und sah nicht auf, und als Clemens nicht sofort antwortete, schob er hastig nach: „Ehm, wenn Sie keine Zeit haben, nun, dann geht es natürlich nicht. Sie haben gewiss noch andere Termine und so.“

Es sollte vernünftig klingen, doch seine Stimme war verrutscht, er räusperte sich und sah in den Himmel. Opa Kruse, wie er ihn nannte, sollte nicht merken, dass er sich vor einer ablehnenden Antwort fürchtete. „Wie alt wirst du denn?“ „Neun. Ich werde nächste Woche neun Jahre alt.“ „Hm, und deine Gäste, – die werden doch sagen, ‚Was hat der Alte denn hier zu suchen.‘ Ach ne,  ich bin zu alt zum Topfschlagen oder Blinde-Kuh-Spielen, da macht man sich nur lächerlich.“ „Aber nein, auf keinen Fall!“, hakte Jakob hastig ein, „das würden Peter und ich, ich meine – ich würde es nie so verstehen!“ Als Clemens nicht sofort antwortete, rutschte Jakob von der Bank und griff nach seinem Fahrrad, und ehe er davonfuhr, warf er Clemens einen verletzten Blick zu, dabei fielen Kruse erneut die dunkel gewordenen Augen des Jungen auf.

Mit der Spitze seines Stockes stocherte Kruse in dem mürben Wegbelag herum, spießte ein Blatt auf und versuchte, es durch eine ärgerliche Bewegung mit dem Gehstock wieder herunterzuschlagen. Er hätte sofort ja sagen sollen, um dem Jungen den Gefallen zu tun, denn er ahnte, dass bei jemandem wie Jakob keine große Feier stattfinden würde. Das Kind würde möglicherweise sogar allein sein, allein wie er selbst. Als auch er sich erhob, ging er langsam, auf seinen Stock gestützt, den Weg hinunter.

In den nächsten Tagen vermisste Clemens das Knarzen des alten Rades, und auch das Grummeln der Holzbrücke hatte eine andere Bedeutung bekommen. Das Mittagbrot schmeckte ihm ohne den Jungen nicht mehr, zu schwer lag ihm im Magen, dass er die Einladung so brüsk abgelehnt hatte. Kurz darauf sah er, wie Mathilde am gegenüberliegenden Ufer des Sees ihr Rad schob, und als sie schließlich bei ihm war, wies sie auf das Vorderrad.

„Einen klassischen Platten habe ich jetzt. Zu dumm, aber ich habe so etwas noch nie repariert. Das hat damals mein Mann immer gemacht. Typische Witwenkrankheit, das sage ich ihnen!“ Clemens hob das schlappe Vorderrad an und ließ es prüfend an seiner Hand vorbeilaufen. „Ich will mich nicht aufdrängen, aber ich könnte das Problem beheben. Allerdings nicht hier, dazu bräuchte ich ein paar Werkzeuge.“

Das Licht der Neonröhre tanzte zunächst klimpernd, als Mathilde und Clemens den Kellerraum betraten. Auf einer Apfelsinenkiste lag das Fahrradflickzeug. Clemens betrachtete das Blechkästchen, blies den Staub ab und öffnete den Deckel. „Es sieht so aus, als ob es schon recht alt ist. Hoffentlich klebt es noch.“

Während Clemens das Rad reparierte, fragte Mathilde: „Ist das Ihr Enkel, ich meine den Jungen, der immer bei Ihnen ist?“ „Nein, ich habe ihn zufällig kennengelernt, so wie ich Sie auch kennenlernte. Das sind sozusagen meine Bankverbindungen.“ Er blickte Mathilde verschmitzt an, dann beugte er sich wieder über den Reifen. Eine Weile arbeitete er schweigend, ehe er ihr die Begegnungen zwischen Jakob und ihm schilderte. „Wir sitzen meistens nur da und unterhalten uns, oder wir gehen ein wenig spazieren und schauen durch das Fernglas den Tieren nach, aber ich sehe doch, wie manche misstrauisch gucken, sich umdrehen und miteinander tuscheln.“ „Nun ja, die Zeitungen und das Fernsehen bringen in letzter Zeit so viel…“, wandte Mathilde ein.

Kruse schnaubte ärgerlich durch seine Nase. „Es wird alles so maßlos überzogen! Warum kann sich ein älterer Mann nicht mehr unbefangen mit einem kleinen Jungen anfreunden? Es wird gleich alles so interpretiert, als ob man Kinderschänder wäre, als guter Onkel getarnt! Erinnern Sie sich noch an den Film mit Heinz Rühmann und Gerd Fröbe – an diesen älteren Mann mit der Kasperlefigur, der einige kleine Mädchen umbrachte? – Danach hatte man ja überall sämtliche Fußgängerschilder ausgetauscht. Achtung, Gefahr. Männer mit Kindern an der Hand! Statt der Schilder mit Männern hat man abertausende neue Schilder aufgestellt – Ja, ich weiß, immer wieder kommt was Schlimmes vor, doch ebenso werden gute und ehrliche Beziehungen zerstört oder verhindert. Sie sehen ja, der Stempel ist gesetzt, wie ein Brandmal. Sogar bei Ihnen ist ja ein Unbehagen entstanden.“

Clemens wischte sich mit dem Unterarm über die Stirn und beugte sich über das Rad, zog die letzten Schrauben an und richtete den Lenker gerade. „Ich wollte Sie doch nicht kränken,“ beschwichtigte Mathilde,“ entschuldigen Sie bitte, so war das wirklich nicht gemeint. Ich würde mich so gern noch länger mit Ihnen unterhalten. Wir könnten zusammen zu Abend essen. Ich mache schnell eine Kleinigkeit.“

Kruse schob den leeren Teller beiseite und räusperte sich, dann erzählte er ihr auch von Jakobs Geburtstagseinladung und dass er ihn seit dem nicht wiedergesehen habe. Dabei wurde seine Stimme brüchiger, er putzte sich die Nase und blickte aus dem Fenster in die beginnende Dämmerung. „Ich glaube schon, dass es dem Jakob mit dieser Einladung ernst gewesen ist.“ Mathilde sah Clemens nicht direkt an, als sie weitersprach: „Und diese Absage hat ihn wahrscheinlich doch sehr getroffen. Was hält Sie denn davon ab, doch zu seinem Geburtstag zu gehen? Wissen Sie eigentlich Näheres über die Eltern von Jakob und sein Zuhause überhaupt?“

„Wissen? – Nein, eigentlich nichts. Ich habe lediglich den Verdacht, dass einer der Eltern Alkoholiker ist. Vielleicht ist der Junge deshalb so in sich gekehrt.“ Clemens blickte auf seine Fingernägel und verwünschte sich. Seine Bedenken hatten sich nur um sich selbst gedreht.Er wusste nicht einmal, wo Jakob wohnte. Mathilde setzte das Geschirr ineinander und schob es beiseite. „Wir sollten uns etwas ausdenken, mit dem wir ihm eine Freude machen könnten.“

Als Clemens eine Woche später einen Einkaufswagen des Discountmarktes aus der Halterung ruckelte, bemerkte er Jakob, der neben der Ausgangstür vor einem Hund hockte und ihm sanft über den Kopf strich. Clemens sprach den Jungen leise an, und Jakob blickte aus der hockenden Haltung argwöhnisch zu ihm auf, dabei murmelte er dem Hund noch etwas zu. „Ich wusste gar nicht, dass du einen Hund hast.“ „Ich hätte so gern einen,“ Jakobs Stimme wurde bitter, „aber da könnte ich lange warten… Und dabei mag ich Tiere so gern!“

Clemens stützte sich auf den Griff des Einkaufswagens und fragte leise: „Gilt deine Einladung noch?“ Jakob schüttelte den Kopf, und seine Augen füllten sich mit Tränen. „Meine Mama… ihr ist immer so schwindelig. Sie liegt immer auf der Couch. Sie will nicht, dass jemand kommt, und überhaupt, – mein Geburtstag ist längst vorbei…“ Jakob zog die Nase hoch und sah der Frau zu, die ihren Hund losband. „Die Frau Rebel, die immer den Rollstuhl schiebt und ich, wir würden dir gern eine Freude machen.“

Am nächsten Tag warteten Mathilde und Clemens an der Bushaltestelle, und zur vereinbarten Zeit erschien auch Jakob. Er wehrte nicht ab, als Clemens ihn bei der Begrüßung kurz an sich drückte. Der Bus hielt vor ihnen, und erst, als sie auf ihren Plätzen saßen, reichte Mathilde dem Jungen einen offenen Briefumschlag. Eine kleine Karte rutschte heraus. Jakob griff danach und schüttelte ungläubig den Kopf. Als er zu Mathilde und Clemens hinübersah, spiegelte sich in seinen Augen ein Glück, das die beiden Alten noch nie bei ihm wahrgenommen hatten. Wieder und wieder strich Jakob über den farbigen Papierstreifen, über die Eintrittskarte in den Zoo.

(gelesen im Kultursalon)

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