Herbstfeuer

Die Arme um sich gelegt, starrte der Mann hinaus auf die Straße. Ihn störte der Lärm der Kinder, die zwischen parkenden Autos spielten. Unwirsch schloss er das Fenster. Obwohl es Spätsommer war, fror er. Im Kamin neben ihm schwelte ein kümmerliches Feuer. Der Mann hatte die Altersgrenze in seinem Berufsleben erreicht. Nun sträubte er sich, den neuen Lebensabschnitt zu akzeptieren. Mit jedem Tag war die Angst vor der großen inneren Leere näher gekrochen. Mit jeder Woche schien nun ein weiterer Teil seines Lebens wegzubrechen. Er fühlte sich hinausgestoßen, obwohl man bei seiner Abschiedsfeier betont hatte, dass man ihn vermissen würde. Man hatte anerkennend sein Fachwissen gewürdigt, seine Gewissenhaftigkeit wie auch seine Hilfsbereitschaft gelobt. Doch all das war für ihn immer selbstverständlich gewesen. Er hatte seine Arbeit geliebt, darüber jedoch sich selbst vergessen. Die Arbeit war sein Lebensinhalt gewesen. Was sollte er nun diesem Vakuum entgegenhalten? Er lebte allein, und gerade jetzt hätte er jemanden gebraucht, der ihn zuhause auffangen würde, jemand, der ihm das Gefühl gäbe, willkommen zu sein und auch gebraucht zu werden. Er seufzte, strich sich mit beiden Händen über sein Gesicht und wandte sich langsam um.
Das Feuer war fast schon heruntergebrannt, aber es wärmte noch. Eine Weile blickte er in die verhaltene Glut. Neben dem Kamin lagen nur noch wenige Holzscheite. Sie waren groß und fest. Der Mann griff nach einem der Stücke, legte es in die glimmende Asche und wartete ab.
Das nachgelegte Holzstück begann zu knistern. Der Mann steckte seine Hände in die Hosentaschen und wippte nachdenklich auf den Fußballen auf und ab. Langsam breitete sich auch in ihm wieder ein Feuer aus. Alte Bilder stiegen auf. Er sah in Gedanken das Laternenlicht, das ihm in seiner Kindheit den Weg ausgeleuchtet hatte, er sah vor sich die dämmernden Herbstabende mit lodernden Kartoffelfeuern. Ebenso deutlich wurde in diesem Moment auch die Erinnerung an die erste große Liebe und den Schmerz, den dieses kurze Feuer ihm zugefügt hatte. Zugleich dachte er auch an viele lebendige Gespräche mit guten Freunden bei Kerzenschein und die Pläne, die sie gemeinsam vor dem Kamin geschmiedet hatten.
Der Mann beugte sich vor und blies in die Glut. Die Flammen fuhren erneut auf, und Wärme strömte aus. Er erhob sich mit knackenden Knien. Als er an das Fenster trat, lächelte er den Kindern und vor allem sich selbst wieder zu.

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